Kapazitätsplanung
4. Werkzeuge zur praktischen Unterstützung der Kapazitätsplanung und -steuerung
4.1 Prozessvisualisierung mit Hilfe von Durchlaufdiagrammen
Das auf dem so genannten Trichtermodell basierende Durchlaufdiagramm ist ein Werkzeug, das grundsätzlich zur Visualisierung von Prozessen und Prozessparametern eingesetzt werden. Das Trichtermodell zeigt den Prozesszustand als aktuelle Prozesswerte für einem definierten Zeitpunkt oder in Form von Mittelwerten für einen definierten Zeitraum (Bild 4.1, links). Die Trichterfüllung repräsentiert dabei beispielsweise den Arbeitsvorrat vor dem Arbeitsplatz. Der Wert wird üblicherweise in Vorgabestunden (geplante Auftragszeit) berechnet. Der Abfluss aus dem Trichter wird mit dem Leistungsparameter Abgang pro Zeiteinheit beschrieben. Analog erfolgt die Definition des Zuflussparameters als Zugang pro Zeiteinheit. Der Quotient aus Bestand / Abgang beschreibt die Warteschlangenlänge am Arbeitsplatz (Bestandsreichweite).
Während das Trichtermodell eine anschauliche zeitpunkt- oder eine zeitraumbezogene Betrachtung der Prozessparameter ermöglicht, ist das Durchlaufdiagramm (Bild 4.1, rechts) ein ideales Werkzeug, um den dynamischen Verlauf der Prozessparameter des Arbeitsplatzes (z.B. Bestand, Auslastung, Durchlaufzeit und Termintreue) anschaulich darzustellen. Die Grafik in Bild 4.1 zeigt, wie das Durchlaufdiagramm aus dem Trichtermodell abgeleitet werden kann. Ausgehend von einem aktuellen Bestand am Arbeitsplatz (Anfangsbestand) werden über der Zeitachse der Zugang und der Abgang in Form von kumulierten Fortschrittswerten aufgetragen.
Jeder Stufensprung auf der Abgangsachse entspricht dabei einer Teilmengen- oder Endrückmeldung des Arbeitsplatzes. Die Höhe des Stufensprungs repräsentiert die Vorgabezeit des abgemeldeten Arbeitsgangs. Bei Arbeitsplätzen, die aus mehreren Teilsystemen bestehen, können gleichzeitig auch mehrere Rückmeldungen gebucht werden. In diesem Falle setzt sich ein Stufensprung der Abgangskurve aus mehreren Einzelbuchungen zusammen. Jeder Stufensprung auf der Zugangskurve entspricht der Fertigstellung eines Arbeitsgangs (oder ggf. auch mehreren) an einem vorgelagerten Arbeitsplatz bzw. der Bereitstellung von Material für die Bearbeitung des ersten Arbeitsgangs. Der Stufensprung entspricht analog zur Abgangsdarstellung dem Arbeitsinhalt, der an dem betrachteten Arbeitsplatz zu bearbeiten ist.
Der Bestand am Arbeitsplatz ergibt sich aus dem vertikalen Abstand der Zu- und Abgangskurve zu einem beliebigen Zeitpunkt. Wie man dem Verlauf der Zu- und Abgangskurve entnehmen kann, hatte der Arbeitsplatz im gesamten Betrachtungszeitraum genügend Bestand, um durchgängig arbeiten zu können. Die Steigung der Abgangskurve (Leistungskurve) kann demnach als tatsächlicher Kapazitätswert für die künftige Planung des Arbeitsplatzes verwendet werden, wenn der gewählte Betrachtungszeitraum grundsätzlich einen repräsentativen Zeitraum für die Bewertung des Arbeitsplatzes darstellt und wenn die Prozessparameter des Arbeitsplatzes nicht geändert werden (Personalbesetzung, Arbeitszeiten, Bearbeitungstechnologie usw.).
Die Durchlaufzeit bzw. Reichweite des Arbeitsplatzes ergibt sich aus dem horizontalen Abstand der Mittelwertkurven des Zu- und Abgangsverlaufs. Aufgrund von Reihenfolgevertauschungen bei der Abarbeitung der Aufträge entspricht die gemessene Durchlaufzeit der einzelnen Arbeitsgänge in der Regel nicht der berechneten Bestandsreichweite am Arbeitsplatz. Die Messwertabweichungen hängen wesentlich von der Länge des Auswertungszeitraums, von der Schwankungsbreite der Bestands¬reichweite und vom Abfertigungsverhalten am Arbeitsplatz ab.
Neben den Prozessparametern des Ist-Durchlaufs bietet das Durchlaufdiagramm auch die Möglichkeit der Analyse der Terminsituation. Bild 4.2 zeigt zusätzlich zum Ist-Abgangsverlauf auch den Soll-Abgangsverlauf der Arbeitsgänge am Arbeitsplatz. Der Soll-Abgangsverlauf spiegelt das Ergebnis der Rückwärtsterminierung wider.
Die Soll-Abgangskurve verläuft im Beispiel oberhalb und nahezu parallel zum Ist-Abgangsverlauf bzw. zur Kapazitätskurve. Die Lage oberhalb des Ist-Abgangsverlaufs bedeutet, dass es sich um eine Rückstands-situation handelt. Der vertikale Abstand entspricht dabei dem Rückstand in Stunden. Der horizontale Abstand entspricht dem Rückstand in Tagen (Rückstandsreichweite). Die Rückstands¬reichweite drückt aus, wie viele Tage der Arbeitsplatz bezogen auf die aktuelle Kapazität arbeiten muss, um den Rückstand abzubauen. Die Parallelität der Soll- und Ist-Kurven zeigt auf, dass der Rückstand ohne eine Kapazitätserhöhung oder eine Belastungsanpassung nicht abgebaut werden kann. Welche dieser Maßnahmen angewendet wird, hängt in der Praxis jeweils von der aktuellen Unternehmenssituation ab. Im Durchlaufdiagramm kann man lediglich erkennen, dass ein Handlungsbedarf zum Ausgleich der Rückstandssituation besteht.